Tonquin Valley

August 2023


Über Jasper zum Astoria Campground27. August

Meine zweite Zeltwanderung in diesem Jahr führt mich in den Jasper Nationalpark: zum Verdant Pass und ins Tonquin Valley. Eigentlich soll es am 20. August losgehen, aber das Wetter macht mir einen dicken Strich durch die Rechnung. In den Bergen hat es gerade geschneit und für die folgende Woche ist Frost und danach heftiger Regen angekündigt. Unter solchen Bedingungen sage ich meine Wanderung lieber ab, denn das Tonquin Valley ist ohnehin berüchtigt für seine morastigen Wanderwege.

In den folgenden Tagen schaue ich immer wieder in das Online-Buchungssystem von Parks Canada und finde tatsächlich genügend Campingplatz-Stornierungen anderer Wanderer, um für die folgende Woche eine passable neue Tour zusammenzustellen. Statt der geplanten sieben Nächte habe ich jetzt nur fünf. Die meisten Wanderer machen die Tonquin Wanderung als Einwegtour vom Astoria Wanderparkplatz nach Portal oder umgekehrt. Da ich 2012 schon einmal die Portal-Route ins Tonquin Valley genommen habe, werde ich diesmal von Astoria aus hin und zurück wandern.

Tonquin Valley Wanderkarte
Tonquin Valley Wanderkarte

Für die ersten beiden Nächte bin ich auf dem Astoria Campground (#42) eingebucht und möchte von dort aus einen Seitenausflug zum Verdant Pass machen. Leider sind die beliebten Plätze Amethyst (#46) und Surprise Point (#45) belegt, so dass ich von Astoria direkt zum über 16 Kilometer entfernten Maccarib Campground (#47) auf der anderen Seite des Tonquin Tals wandern muss. Dann geht es zurück zum Clitheroe Campground (#44) und für die letzte Nacht muss ich mich mit dem Switchback Campground (#43) zufrieden geben, auch wenn am Ende 13,6 Kilometer auf dem Programm stehen. Aber es sollte möglich sein, noch am selben Tag nach Hause zu fahren.

 

Auch wenn ich die ursprünglich geplanten Abstecher ins Eremite Valley, auf den Tonquin Hill oder gar Mount Clitheroe nicht in die neue, kürzere Variante der Tour einbauen kann, bin ich froh, dass sie überhaupt stattfindet.

Ich fahre sonntags bei Sonnenschein los. Es soll auch zunächst trocken bleiben und erst am Mittwoch wieder regnen. Aber wer weiß. Die Luft ist diesig, doch man kann die Berge gut erkennen. An den vielen Baustellen auf dem Yellowhead Highway wird am Sonntag nicht gearbeitet, so dass ich gut durchkomme und schon vor Mittag in Jasper eintreffe.

Der Astoria Wanderparkplatz befindet sich an der Straße zum Mount Edith Cavell. Diese ist schmal und windet sich in steilen Serpentinen den Berg hinauf. Es gibt relativ viel Gegenverkehr. Alle markierten Stellplätze am Straßenrand sind voll, so dass ich ein Stückchen weiter in einer Kurve parken muss. Selbst dort bin ich bei weitem nicht die erste. Ich packe noch ein paar letzte Dinge in den Rucksack und dann kann es losgehen. Mein heutiges Ziel ist der 7,1 Kilometer entfernte Astoria Campingplatz.


Entfernung
7,5 km
Dauer
2 Std
Min. Höhe
1671 m
Max. Höhe
1751 m
Anstieg
80 m
Kum. Anstieg
342 m
Kum. Abstieg
383 m

 

Ich gehe ein Stück bergab und erreiche gleich einen schönen Aussichtspunkt mit Blick auf Mount Edith Cavell und den Cavell Lake. Schade, dass die Bergspitze gerade in Dunst gehüllt ist.

Mount Edith Cavell und Cavell Lake
Mount Edith Cavell und Cavell Lake

Der Weg führt am Astoria River entlang und es gibt keine nennenswerten Steigungen. Nach gut 4,5 Kilometern erreiche ich die Abzweigung zum Verdant Pass, den ich morgen erwandern will. Bis zum Astoria Campground sind es nur noch knapp 3 Kilometer. Erste Blicke auf die umliegenden Berge tun sich auf. Auf einer Brücke überquere ich den Verdant Creek.

Eine zweite Brücke führt über den Astoria River und kurz darauf erreiche ich den Campingplatz. Ich bin heute die erste hier und wähle Platz #1 aus, der mir von den vier vorhandenen am schönsten erscheint. Zeltplätze und Picknickbereich liegen auf einer kleinen Anhöhe, hinter der es steil zum Fluss abfällt. Vom Picknickplatz aus hat man einen wunderschönen Blick auf Throne Mountain und Mount Edith Cavell.

Astoria River und Mount Edith Cavell 3363 m
Astoria River und Mount Edith Cavell 3363 m
Throne Mountain 3120 m
Throne Mountain 3120 m

Während ich mein Essen in den bärensicheren Metallschränken unten am Wegesrand verstaue, kommt eine Familie mit zwei Kindern an und macht kurz Pause. Sie wollen heute noch den weiten Weg bis zur Wates-Gibson Hütte wandern, obwohl sich der 10jährige Junge gar nicht wohlfühlt und Bauchschmerzen hat.

Ich bereite mir ein frühes Abendessen zu. Später belegt eine Gruppe von zwei Männern, einer Frau und zwei jungen Mädchen mit einem 5-Personen-Zelt einen der anderen Plätze. Schließlich treffen noch zwei junge Frauen ein, mit denen ich mich am Abend anfreunde. Monica und Tamara sind heute den weiten Weg vom Maccarib Campground gekommen, den ich am übernächsten Tag bewältigen muss. Monica ist deutschstämmig und erzählt mir viel von ihrer deutschen Oma, die auch in Kanada lebt und wahrscheinlich nicht viel älter ist als ich. Es entwickelt sich ein interessanter Austausch, so dass wir bis zum Sonnenuntergang aufbleiben. Nachdem die untergehende Sonne die Felsen rot gefärbt hat, wird es schnell kalt und wir verschwinden in unseren Zelten.

Sonnenuntergang am Astoria Campground
Sonnenuntergang am Astoria Campground
Wanderung zum Verdant Pass28. August


Entfernung
17,6 km
Dauer
6 Std
Incl. Pausen
8 Std
Min. Höhe
1657 m
Max. Höhe
2269 m
Anstieg
612 m

 

Am Morgen verabschiede ich mich von Monica und Tamara, die heute hinauswandern und nach Hause fahren. Ich nutze den schönen sonnigen Tag, um zum Verdant Pass zu wandern. Auf dem Weg zur Abzweigung begegne ich einem Ehepaar aus Colorado und wir tauschen uns über unsere Vorhaben aus. Die beiden sind auf einer Tageswanderung und möchten möglichst einen Blick auf die berühmte Bergkette der Ramparts werfen - ein weiter Weg.

Am Fluss entlang zur Verdant Pass Abzweigung
Am Fluss entlang zur Verdant Pass Abzweigung

An der Abzweigung zu meinem heutigen Ziel beginnt ein schmaler Pfad, der steil den Berg hinaufführt. Zum Glück ist er nicht allzu stark zugewachsen und sehr gut begehbar. Am Wegesrand gibt es Heidelbeeren, später auch gemischt mit Blaubeeren, die noch besser schmecken.

Kurz vor der Baumgrenze wird der Pfad extrem schmal und steil. An einem hervorstehenden Ast schramme ich mir das Handgelenk auf, es wird ganz blau und blutet sogar ein wenig. Jetzt schaue ich besser hin, bevor ich mich durch das dichte Gestrüpp zwänge. Etwa zwei Stunden sind seit der Abzweigung vergangen, bis ich aus dem dichten Wald herauskomme und die ersten schönen Aussichten genieße.

Ausblick von der Baumgrenze auf Chevron (l), Blackhorn (m) und Throne Mountain (r)
Ausblick von der Baumgrenze auf Chevron (l), Blackhorn (m) und Throne Mountain (r)
Blick zurück ins Tal: Throne und Oldhorn Mountain, Chak Peak im Hintergrund
Blick zurück ins Tal: Throne und Oldhorn Mountain, Chak Peak im Hintergrund
Throne Mountain 3120 m, dahinter der Gipfel von Oldhorn Mountain 3000 m
Throne Mountain 3120 m, dahinter der Gipfel von Oldhorn Mountain 3000 m

Das Panorama wird immer faszinierender. Ich wandere zum ersten Bergsee (Tarn #1) auf der Rückseite des Edith Cavell Bergmassivs und mache dort Mittagspause. Auf der linken Seite des Tarns führt ein Trampelpfad zum Fuß des Berges und von dort eine Bergsteigerroute zum Gipfel.

Rückseite von Mount Edith Cavell mit Tarn #1
Rückseite von Mount Edith Cavell mit Tarn #1
 Verdant Pass und Chevron Mountain 2835 m
Verdant Pass und Chevron Mountain 2835 m

Um zu Ediths Tarn #2 zu gelangen, muss ich zunächst ein steiles Geröllfeld hinunterklettern, bevor es auf einem guten Pfad wieder bergauf geht. Leider steht das Licht ungünstig, so dass die Rückseite von Mount Edith im Schatten liegt und die eigentlich intensive blaugrüne Farbe der Tarns nicht richtig zur Geltung kommt. Nach Süden hin ist es sehr diesig und man kann das Hooker Eisfeld nur erahnen. Trotzdem ist es magisch schön hier oben.

Mount Edith Cavells Tarn #2
Mount Edith Cavells Tarn #2
Blaugrünes Wasser im Tarn
Blaugrünes Wasser im Tarn

Zu bald schon muss ich mich auf den Rückweg machen. Da die Schatten im Verlauf des frühen Nachmittags weniger werden, schaue ich noch einmal am ersten Tarn vorbei und mache noch ein Foto.

Zurück an Ediths Tarn #1
Zurück an Ediths Tarn #1

Das steile Wegstück bis zum Waldbeginn ist sehr rutschig und ich gehe vorsichtig. Ich bewundere einen roten Berghang weit hinten im Tal.

Rot gefärbter Berghang am Ende des Tales
Rot gefärbter Berghang am Ende des Tales

Auf dem Hauptweg treffe ich die beiden aus Colorado wieder, die auch auf dem Rückweg sind. Wir unterhalten uns eine ganze Weile. Sie haben es tatsächlich geschafft, einen Blick auf die Ramparts zu werfen, müssen also bis weit hinter die sogenannten Switchbacks gekommen sein, wo der Trail in vielen Serpentinen eine Felslawine hinaufführt. Sie haben wie ich einen langen Weg hinter sich und die Pause tut uns allen gut.

Der Zeltplatz ist heute voll besetzt. Eine Gruppe von drei Männern und zwei Frauen hat die anderen drei Plätze belegt. Sie feiern bis in die Dunkelheit, während ich ziemlich müde und schon früh im Bett bin. Morgen habe ich einen langen Tag vor mir, denn ich muss weiter zum 16,3 Kilometer entfernten Maccarib Campground.

Astoria Campground - Amethyst Lakes - Maccarib Campground29. August


Entfernung
17,7 km
Dauer
gut 6 Std
Incl. Pausen
7 Std
Min. Höhe
1697 m
Max. Höhe
2120 m
Anstieg
423 m

 

Das Wetter ist immer noch schön, so dass ich mir für die lange Wanderung zum Maccarib Campground viel Zeit nehmen kann. Sie wird mich durch das gesamte Tonquin-Tal führen.

Ich erreiche eine weitere Brücke über den Astoria River. Auf der anderen Seite des Flusses führt der Chrome Lake Trail zur Wates-Gibson Hütte. Er soll wesentlich unwegsamer und nasser sein als der Hauptweg auf dieser Uferseite. Bis zum letzten Jahr wurde er regelmäßig von Pferdetrecks beritten, die die hufunfreundlichen Switchbacks auf dem Hauptweg nicht bewältigen können. Seit einem Jahr ist das Tonquin Valley jedoch für Reiter gesperrt. Auch die beiden privaten Lodges im Tal, die auf die Versorgung mit Pferden angewiesen waren, wurden geschlossen. Die Sperrungen dienen dem Schutz der im Tonquin Valley lebenden Mountain Caribou, deren Bestand seit Jahren stark gefährdet ist.

Ich gehe diesseits der Brücke weiter und erreiche ein ehemaliges Reitercamp direkt am Fluss. Schade, dass daraus kein Campingplatz geworden ist.

Die sogenannten Switchbacks sind der steilste Abschnitt des Weges. Hier führen Serpentinen durch eine Felslawine, die noch in ständiger Bewegung ist und den Weg immer wieder mit großen Felsbrocken versperrt. Anhalten ist strengstens verboten. Immer höher geht es an den Felsbrocken des Bergsturzes entlang.

Ziemlich außer Atem erreiche ich endlich das Ende der Switchbacks und kurz darauf die Abzweigung zum Switchback Campground, wo ich für die letzte Nacht eingecheckt bin. Wenigstens muss ich am letzten Tag die Switchbacks nur noch hinunter und nicht mehr hinauf.

Die ersten Blicke auf die Ramparts, eine imposante Bergkette auf der kanadischen Wasserscheide, tun sich auf. Die Ramparts und die beiden zu ihren Füßen gelegenen Amethyst Seen sind die Hauptattraktion im Tonquin Valley.

Erster Blick auf die berühmten Ramparts
Erster Blick auf die berühmten Ramparts

Letzte Wildblumen säumen den Weg, der leider viel zu schnell wieder im dichten Wald verschwindet. Am Clitheroe Campground treffe ich die Familie mit den beiden Mädchen wieder. Sie haben auf dem Switchback Campground übernachtet und waren heute Morgen schon bei den Amethyst Lakes. Sie wandern weiter zum Surprise Point Campground. Eine junge Frau kommt an und stopft ihren großen Rucksack in eine der Metallboxen, um von Clitheroe aus eine Tageswanderung zum Surprise Point und zur Wates-Gibson Hütte zu machen. Das ist mein Plan für übermorgen.

Der Clitheroe Campground gefällt mir nicht besonders Er liegt mitten in den Bäumen und hat keine Aussicht. Wasser gibt es auch nicht in der Nähe, dafür muss man fast einen Kilometer weit bergauf zu einer kleinen Brücke über einen reißenden Bach laufen. Ich setze meinen Weg zu den Amethyst Lakes fort. Von der Clitheroe Wasserstelle aus geht es steil hinunter ins Tal. Dort führt ein Boardwalk durch das teilweise sehr sumpfige Gebiet. Geradeaus liegt die ehemalige Tonquin Adventure Lodge, rechts geht es entlang der beiden Amethyst Seen zum Amethyst Campground.

Unterwegs zu den Amethyst Lakes
Unterwegs zu den Amethyst Lakes

Der Weg verläuft durch eine heideartige Vegetation, die mit Bäumen und Tümpeln durchsetzt ist. An der Abzweigung zum Amethyst Campground führt ein Trampelpfad direkt zum Seeufer. Es ist etwas morastig dort, aber nicht allzu schlimm. Ich mache eine lange Pause am See und genieße die Stille.

Die Amethyst Lakes
Die Amethyst Lakes

Zwei Frauen, Ärztinnen aus Burnaby bzw. Edmonton, halten mit mir Rast. Sie werden wie ich auf dem Maccarib Campground übernachten. Eine Gruppe Mountain Caribou grast in der Nähe. Sie lassen sich von uns nicht stören.

Mountain Caribou am Ufer der Amethyst Lakes
Mountain Caribou am Ufer der Amethyst Lakes

Es wird zunehmend trüber und die höher stehende Sonne lässt den Dunst noch schlimmer erscheinen. Die Berge sehen fast gespenstisch aus; es muss Rauch in der Luft sein, aber riechen kann ich ihn nicht.

Blick auf Tonquin Hill (r), zunehmend rauchiger
Blick auf Tonquin Hill (r), zunehmend rauchiger

Nur in Richtung Mount Clitheroe ist der Himmel noch strahlend blau. Ursprünglich wollte ich diesen Berg besteigen oder zumindest auf den Grat unterhalb des Gipfels. Wahrscheinlich hätte ich den Weg durch die vielen Bäume zwischen dem Trail und dem Grat nicht gefunden. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt.

Mount Clitheroe
Mount Clitheroe

Ich breche auf, denn ich habe Durst und kaum noch Trinkwasser. Die Amethyst Seen riechen sehr schweflig und sind wohl nicht zur Trinkwasserentnahme geeignet. Ich finde einen Bach, der an einem weiteren Boardwalk entlang fließt und genügend Wasser führt.

Nach einer weiteren Stunde erreiche ich den Maccarib Campground. Oberhalb der Brücke rauscht der Maccarib Creek durch malerische rote Felsen. Ein Mann (Waliser) badet in einem der eiskalten Pools im Bach, während seine Freundin aus sicherer Entfernung zusieht.

Maccarib Creek am Maccarib Campground
Maccarib Creek am Maccarib Campground

Bei den Metallschränken, in denen ich meinen Essensbeutel verstaue, begrüßt mich ein sehr freundlicher Mitwanderer. Er ist heute vom Portal Wanderparkplatz gekommen und ziemlich kaputt. Schon einige Zeit vor mir hier, muss er sich doch erst einmal erholen und wird erst eine Stunde nach mir mit dem Zeltaufbau fertig.

Ein weiteres Paar kommt ebenfalls vom Portal Wanderparkplatz und dann noch die beiden Frauen, die ich bereits am Amethyst Lake getroffen habe.

Zum Essen versammeln wir uns alle um den einzigen großen Campingtisch. Der andere Tisch ist halb verfallen und bietet nur noch Platz für eine Person. Eine heiße Diskussion über das morgige Wetter beginnt. Die einen haben ein Inreach-Gerät (eine Art Satellitentelefon) dabei und können die aktuelle Wettervorhersage abrufen. Andere haben die letzte Vorhersage vom Morgen oder vom Vortag parat. Von Unwettern mit bis zu 37 mm Regen, Frost oder 30% Regenschauer ist alles vertreten. Einig ist man sich nur darin, dass der Wettereinbruch morgen Abend beginnen soll.

Ich werde also noch trocken zu den Maccarib Meadows und zurück zum Clitheroe Campground kommen, und die beiden Ärztinnen können ihre Wanderung zum Tonquin Hill regenfrei genießen. Die eine hat sich kurz vor der Wanderreise die Schulter ausgekugelt und führt uns mit einem Gummiband ihre Physiotherapie vor. Sonst besteigt sie gerne alle möglichen Gipfel, doch diesmal muss sie ihre Ambitionen etwas herunterschrauben.

Maccarib Campground - Maccarib Meadows - Amethyst Lakes - Clitheroe Campground30. August


Entfernung
17,7 km
Dauer
6 ½ Std
Min. Höhe
1967 m
Max. Höhe
2214 m
Anstieg
247 m

 

Am nächsten Morgen lasse ich mein Zelt erst einmal stehen und wandere am anderen Ende des Campingplatzes hinaus in Richtung Maccarib Meadows. Der Weg ist schmal und steigt stetig an. Früh morgens haben die Ramparts noch Konturen, doch es wird schnell diesiger. Ich schaue hinauf ins Tal des Portal Creek, wo es zum Maccarib Pass und hinaus zum Portal Wanderparkplatz geht.

Blick zurück vom Maccarib Meadows Trail
Blick zurück vom Maccarib Meadows Trail

An einem Aussichtspunkt mache ich kehrt. Man könnte weiter hinauf in die Meadows wandern, doch nach der langen Strecke gestern und angesichts der verrauchten Aussicht verzichte ich darauf.

Bei meiner Rückkehr finde ich den Campingplatz verlassen vor und packe mein Zelt zusammen. Ich frage mich, ob die beiden Frauen den Weg zum Tonquin Hill gefunden haben, denn er ist mit Querfeldeingehen verbunden und war bei meinem Besuch in 2012 nicht besonders gut markiert. Möglicherweise haben die Betreiber der Tonquin Valley Backcountry Lodge sogar die wenigen Markierungsbänder entfernt, bevor die Lodge geschlossen wurde.

An der Abzweigung zum Moat Lake und Tonquin Hill gehe ich ein Stück in Richtung der Lodge, weil es unterwegs einige fotogene Teiche geben soll. Der Pfad ist mit vielen großen Steinen bedeckt, eher für Pferde gedacht und für Zweibeiner äußerst mühsam zu gehen. Ich kann kaum einmal den Blick vom Boden abwenden. Deshalb kehre ich um und wandere zurück zu den Amethyst Lakes.

An einigen Stellen des Weges muss ich durch den berühmt-berüchtigten Tonquin Morast stapfen. Bisher ist er harmlos, denn das Wetter war trocken. Die andere Plage des Tals, die vielen Mücken und Bremsen, von denen das Feuchtgebiet sonst nur so wimmelt, sind dem vorangegangenen Frost zum Opfer gefallen.

Der berüchtigte Tonquin Morast
Der berüchtigte Tonquin Morast

Heute sind keine Caribou zu sehen. Außerdem ist der Blick auf die Berge noch diesiger als gestern, nur Mount Clitheroe hebt sich noch vom trüben Himmel ab. Kurz vor dem Clitheroe Campground kommt mir die junge Frau vom Vortag entgegen. Sie schwärmt von ihrem Tagesausflug zur Wates-Gibson Hütte, warnt aber ebenfalls vor dem bevorstehenden Wettereinbruch.

Schon seit einer Weile fliegen Hubschrauber über das Tonquin Tal hin und her und wecken ungute Erinnerungen an vergangene Waldbrände. Dann sehe ich, dass einer von ihnen direkt über dem Clitheroe Campground schwebt und unter ihm drei blaue Tonnen an einem langen Seil hängen. Ich gehe in Deckung, denn es sind die Toilettenbehälter, die offensichtlich gerade ausgetauscht werden. Zum Glück sind es die neuen leeren Tonnen, wie mir die drei Männer versichern, die gerade am Boden den Austausch erledigen.

Auf den zweiten Blick erweist sich der Clitheroe Campround als nicht gar so übel. Ich beziehe Platz #3, der mir flach und gleichzeitig abschüssig genug erscheint, um im bevorstehenden Regen nicht überschwemmt zu werden. Da es noch früh ist und das Wetter ungewiss, esse ich schon einmal, um danach einen Ausflug zum Surprise Point zu machen. Den will ich auf jeden Fall einmal sehen, bevor es zu nass und trüb wird.

40 Minuten brauche ich für die 2,3 Kilometer, die bergab und dann durch ein ausgedehntes Feuchtgebiet führen. Unterwegs komme ich an einer Rangerhütte vorbei. Am Abfluss der Amethyst Lakes ist es landschaftlich besonders schön. Eine Brücke führt hinüber und man ist den Gletschern sehr nahe. Schade, dass es in diese Richtung so diesig ist, der schönere Himmel ist wieder über Mount Clitheroe.

Brücke über den Abfluss der Amethyst Lakes
Brücke über den Abfluss der Amethyst Lakes

Auf dem Surprise Point Campground treffe ich die Familie mit den beiden Mädchen wieder. Zurzeit sind sie die einzigen und versuchen mich zu überreden, hierher umzuziehen, da am Vortag auch ein Platz frei geblieben ist. Sehr verlockend, aber es ist noch früh und wer weiß wer noch kommt. Außerdem steht mein Zelt schon und ein Umzug wäre sehr aufwendig. Die Familie will am nächsten Tag über den Chrome Lake Trail zum Wanderparkplatz hinaus. Sie verlassen sich auf die Aussagen der Toilettencrew, dass die fehlenden Brücken auf diesem Trail kürzlich ersetzt wurden und die Wettervorhersage nur noch 30% Regenschauer in der Nacht und danach wieder trockenere Bedingungen verspricht.

Ich verweile an einem von goldgelbem Gras umgebenen Teich direkt beim Campingplatz und spaziere dann zur Landspitze am Amethyst Lake. Es ist wirklich wunderschön hier. Ich freue mich auf meinen für morgen geplanten Tagesausflug zur Wates-Gibson Hütte, den die Familie heute gemacht hat und von dem sie in den höchsten Tönen schwärmt.

Rauchiger Blick von Surprise Point
Rauchiger Blick von Surprise Point

Für den Rückweg zum Clitheroe Campground brauche ich, weil es bergauf geht, eine ganze Stunde. Am Campground sind inzwischen weitere Wanderer eingetroffen. Eine Gruppe zieht weiter zum Surprise Point Campground, der heute also doch nicht leer bleibt. Ein anderes Pärchen fällt mit einem roten, professionell aussehenden Tunnelzelt auf. Es stellt sich heraus, dass sie häufig in der Arktis campen.

Am Abend - zum Glück sind schon alle im Zelt - und in der Nacht gibt es zwei Gewitter. Sie treffen uns zwar nicht direkt, sind aber mit extrem heftigen Regen verbunden.

Clitheroe Campground - Wates-Gibson Hütte - Chrome Lake - Astoria Wanderparkplatz31. August


Entfernung
23,0 km
Dauer
7 ½ Std
Min. Höhe
1671 m
Max. Höhe
2079 m
Abstieg
405 m

 

Mit kurzen Unterbrechungen regnet es die ganze Nacht hindurch und in den Morgen hinein. In einer kurzen Regenpause ziehe ich mein dünnes Plastikcape über, besuche die ziemlich weit entfernte Toilette und hole mein Essen aus dem Metallschrank. Ich frühstücke im Zelt, kalt natürlich, aber dafür bleibe ich trocken. Ich packe meine Sachen zusammen, soweit das im Zelt möglich ist, und warte auf besseres Wetter.

Schließlich hört es auf zu regnen und ich schaue bei den Picknicktischen vorbei, um zu hören, was die anderen so vorhaben. Ein junger Mann überlegt, ob er nicht heute zusammenpackt anstatt wie vorgesehen noch einen weiteren Tag hier zu bleiben, denn seine Wettervorhersage verspricht keine Besserung. Er bringt mich auf die Idee, ebenfalls heute noch zum Wanderparkplatz zu laufen, denn ich habe keine Lust, das nasse und mit Matsch verschmutzte Zelt noch einmal aufbauen, nur um am nächsten Tag vom Switchback Campground immer noch 13,6 Kilometer hinauswandern zu müssen.

Abstecher zur Wates-Gibson Hütte
Abstecher zur Wates-Gibson Hütte

Unter den gegebenen Umständen bietet der Rückweg über den Chrome Lake Trail mit einem Abstecher zur Wates-Gibson-Hütte den bestmöglichen Abschluss meiner Tonquin-Wanderung. Es sind zwar insgesamt 23 Kilometer, aber auf diese Weise bekomme ich auch diese Ecke des Tonquin Tals zu sehen. Ich kann mir den ganzen Tag dafür Zeit nehmen, denn an eine Heimfahrt ist heute sowieso nicht mehr zu denken.

 

Im Moment regnet es nicht. Schnell packe ich das nasse Zelt ein, das jetzt leider viel mehr wiegt als im trockenen Zustand. Wenigstens ist die Luft heute Morgen nach dem großen Regen nicht mehr rauchgeschwängert, auch wenn die Wolken sehr tief hängen. Surprise Point ist auch in diesem Licht sehr schön.

Surprise Point nach dem großen Regen
Surprise Point nach dem großen Regen

Durch dichten Mooswald mit Heidelbeersträuchern am Wegesrand geht es hinunter ins Tal. Bald öffnet sich die Landschaft und ist auch bei diesem trüben Wetter wunderschön. Gletscher und goldene Gräser werden von Nebelschwaden und Wolken umspielt.

Unterwegs zur Wates-Gibson Hütte
Unterwegs zur Wates-Gibson Hütte
Nahaufnahme des Gletschers
Nahaufnahme des Gletschers

Brandneue Brücken führen über einen reißenden Bach. Zur Wates-Gibson Hütte geht es steil bergauf. Es sind nur 1,3 Kilometer bis dorthin, aber die haben es in sich.

Die Hütte steht am Ufer des fotogenen Outpost Lake.

Outpost Lake
Outpost Lake

Es gäbe noch einen Ausflug zu einem kleinen See oberhalb der Hütte, aber das ist mir heute zu viel. Bis zum Wanderparkplatz ist es noch weit und der Weg soll sehr schlecht sein. Gestärkt durch eine Brotzeit trete ich den Rückweg an.

Rückweg über Chrome Lake
Rückweg über Chrome Lake

Das wenige, was ich vom Eremite Valley sehen kann, sieht vielversprechend aus. Leider habe ich dieses Mal keine Gelegenheit, dieses abgelegene Tal zu erkunden. Außerdem soll die Brücke, die das Tal zugänglich macht, schon seit einigen Jahren fehlen und der Bach schwer zu durchqueren sein. Ein andermal...

Ausblick ins Eremite Valley
Ausblick ins Eremite Valley

Bald darauf erreiche ich den malerischen Chrome Lake.

Nach dem Chrome Lake gibt es keine besonderen Aussichten mehr und der Trail wird sehr unwegsam. Wurzeln, Felsen, Pfützen und Schlamm wechseln sich ab. Ich gehe sehr vorsichtig und lege mich trotzdem einmal buchstäblich auf das Gesicht. Zum Glück ohne schwerwiegende Folgen, von schmutzigen Knien und einer schlammbespritzten Brille einmal abgesehen.

Pond neben dem felsigen, von Wurzeln durchzogenen und matschigen Pfad
Pond neben dem felsigen, von Wurzeln durchzogenen und matschigen Pfad

Kürzlich hat ein Arbeitsteam von Parks Canada die Brücke über den Campus Creek erneuert. Zuvor musste man auf einem umgestürzten Baumstamm über den Bach balancieren.

Außer zwei jungen Frauen, die unterwegs zum Surprise Point Campground sind, begegne ich keiner Menschenseele. Ich bin froh, als ich endlich den großen Erdrutsch auf der anderen Seite des Astoria River erblicke. Es bedeutet, dass ich nicht mehr weit von der Brücke über den Fluss und dem Hauptweg entfernt bin.

Die Felsenlawine auf der anderen Seite des Flusses
Die Felsenlawine auf der anderen Seite des Flusses

Auch der Hauptweg auf der anderen Seite der Brücke ist nach dem Regen viel schlammiger als auf dem Hinweg. Trotzdem komme ich hier etwas schneller voran. Als ich den Astoria Campground erreiche, fängt es an zu nieseln. Wegen des Regens werde ich dort nicht mehr zu Abend essen. Außerdem wird es langsam spät, es ist schon fast sechs Uhr. Ich packe nur noch meinen leeren Gaskanister ein, den ich auf dem Hinweg in einer der Metallboxen auf dem Campingplatz zurückgelassen habe, und gehe zügig weiter.

Die letzten 7 Kilometer kommen mir endlos vor. Eigentlich gibt es keine Steigung, aber ich habe das Gefühl, dass es ständig bergauf geht. Meine Beine sind einfach müde. Am Cavell Lake Aussichtspunkt finde ich Mount Edith Cavell nun nicht mehr im Dunst vor, dafür in Wolken.

Nieselregen am Mount Edith Cavell Lake
Nieselregen am Mount Edith Cavell Lake

Ich bin froh als ich das Auto erreiche und dem heftiger werdenden Nieselregen entkomme. Nach Hause fahre ich heute natürlich nicht mehr, sondern verbringe die Nacht in Jasper.

Das Tonquin Valley hat mir sehr gut gefallen. Gerne möchte ich noch einmal dorthin zurückkehren und von Surprise Point aus ins Eremite Valley vordringen - sobald es wieder einen Weg über den Eremite Creek gibt.