Sawback Range

August 2022


Über Golden und Lake Louise zu Larry’s Camp21. August

Für die zweite Wanderung in diesem Sommer habe ich mir die Sawback Range im Banff National Park ausgesucht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieses Gebiet zu erwandern, je nachdem, an welchem Wanderparkplatz man beginnt und endet, auch eine Rundtour ist möglich. Ich starte am Johnston Canyon und folge dem Johnston Creek bis zu seinem Ursprung. Unterwegs komme ich am malerischen Luellen Lake vorbei und ich habe drei Tagesausflüge geplant: Pulsatilla Pass, Badger Pass und Mystic Pass. Danach geht es auf dem gleichen Weg zurück.

Da ich eine lange Strecke vor mir habe und bis zum ersten Campingplatz noch zwei bis drei Stunden laufen muss, fahre ich schon um 6 Uhr morgens von zu Hause los. Bis Salmon Arm komme ich gut voran, aber ab dort herrscht dichter Verkehr. Hinter Revelstoke fahre ich in eine Regenfront, ein wahres Inferno mit Starkregen, Gewitter und extrem schlechter Sicht. Außerdem findet im Revelstoke Park gerade ein kontrollierter Waldbrand statt, so dass man dort nirgendwo anhalten darf.

Ich bin froh, als ich endlich Golden erreiche und mache eine kurze Pause im strömenden Regen. Weiter geht es durch die seit Jahren bestehende Großbaustelle zur Erweiterung des TransCanada Highways hinter Golden. Im Visitor Center des Nationalparks in Fields muss ich leider erfahren, dass das schlechte Wetter noch mindestens zwei Tage anhalten soll.

Über Lake Luise fahre ich zum Moose Meadows Wanderparkplatz. Er ist ziemlich leer, denn neben dem miserablen Wetter ist auch der Johnston Canyon, die Hauptattraktion für Tagesausflügler, derzeit wegen Renovierungsarbeiten an den vielen Stegen geschlossen. Inzwischen ist es drei Uhr, höchste Zeit für ein verspätetes Mittagessen, und dann warte ich auf besseres Wetter.

Von Moose Meadows zu Larry´s Camp
Von Moose Meadows zu Larry´s Camp
Entfernung
8 km
Dauer
2 ¼ Std
Min. Höhe
1429 m
Max. Höhe
1792 m
Anstieg
363 m
Kum. Anstieg
729 m
Kum. Abstieg
441 m

 

Endlich - um vier Uhr - hört es auf zu regnen. Schnell die Regenhose angezogen, die letzten Sachen in den Rucksack gepackt und los geht's.


Der Weg ist steil, aber recht breit und gut begehbar. Von einigen großen Pfützen einmal abgesehen, ist er nicht allzu matschig. Die gefühlte Luftfeuchtigkeit liegt bei 200%. Mein Ziel für heute ist Larry's Camp, hier noch nicht ausgeschildert und noch gut 2 Kilometer hinter den Inkpots. Die Inkpots sind fünf mineralhaltige Pools, die miteinander verbunden sind.

Bis hierher habe ich einiges an Höhe gewonnen, aber zu den Inkpots geht es leider wieder ordentlich bergab.

 

Kein einziger Besucher hält sich heute an den Pools auf, die bei besserem Wetter mit ihren vielen blauen Farbschattierungen vermutlich traumhaft aussehen würden.

Regnerische Inkpots
Regnerische Inkpots

Nach den Inkpots wird der Weg schmaler und natürlich geht es wieder bergauf. Bald verlässt der Pfad den Wald und ich habe einen ersten Blick auf die Sawback Range.

Sawback Range
Sawback Range

Überraschend schnell erreiche ich Larry's Camp. Nicht drei, sondern nur gut zwei Stunden habe ich bis hierher gebraucht. Erfreulicherweise hat es seit meinem Aufbruch nicht mehr geregnet und ich bin weitgehend trocken geblieben. Meine Mitcamper, die vor mir angekommen sind, hatten weniger Glück oder ein schlechteres Timing und sind sehr nass geworden.

Der Campingplatz liegt an einem Nebenfluss des Johnston Creek mitten im Wald und ist sehr geräumig. Ich suche mir einen Platz oberhalb vom Bach, aber nicht zu nah am Ufer, denn er rauscht gewaltig. Es gibt zwei Picknickplätze mit Tischen und bärensicheren Metallschränken. Der Platz unten am Bach ist nur über einen extrem steilen und mittlerweile rutschigen Pfad zu erreichen. Die Fächer in den Metallschränken sind nummeriert und der jeweiligen Zeltplatznummer zugeordnet. Da der Campingplatz nur halb belegt ist, bleibe ich oben auf dem bequemer zu erreichenden Picknickplatz und nehme mir dort ein Fach. Zur Wasserstelle an der Brücke muss ich aber trotzdem steil absteigen.

Auch den Rest des Abends bleibt es trocken, es gibt nicht einmal Mücken. Ich esse ein mitgebrachtes Stück Pizza, so muss ich am ersten Tag nicht kochen. Die anderen Camper haben schon gegessen, aber sie bleiben am Tisch und es entwickelt sich ein nettes Gespräch. Sie werden morgen Richtung Mystic Lake aufbrechen. In meiner Richtung wird niemand unterwegs sein, aber auf meinem nächsten Campingplatz am Luellen Lake sind alle fünf Plätze ausgebucht und spätestens dort werde ich wieder Gesellschaft haben.

Larry´s Camp - Luellen Lake22. August


Entfernung
10 km
Dauer
3 Std
Min. Höhe
1699 m
Max. Höhe
2016 m
Anstieg
317 m

 

In der Nacht hat es geregnet, aber als ich am Morgen aus dem Zelt schaue, sieht der Himmel freundlich aus. Der Campingplatz ist so schattig, dass ich gar nicht erst versuche, das Zelt zu trocknen. Noch immer zeigen sich keine stechenden Insekten, da schmeckt das Frühstück gleich noch einmal so gut.

Weil ich auf dem Rückweg noch einmal in Larry's Camp Station machen werde, hatte ich eigentlich geplant, die Lebensmittel für die letzten beiden Tage hier zu deponieren, anstatt sie auf meiner Wanderung hin und her zu tragen. Aber wegen der nummerierten Essensfächer erscheint mir dies nun nicht fair gegenüber den anderen Campern und auch zu unsicher. Also packe ich alles wie immer ein.


Ich überquere die Brücke über den Nebenfluss und komme am anderen Ufer gleich an eine Kreuzung. Rechts geht es zum Mystic Pass, den ich auf dem Rückweg besuchen möchte. Heute wende ich mich nach links in Richtung Johnston Creek, an dessen Ufern fast der gesamte heutige Weg entlangführt.

 

Er verläuft auf der rechten Seite des Baches durch dichten Wald. Immer wieder ist der Weg mit Weidenbüschen, Gestrüpp und hohem Gras überwachsen. Auch wenn es nicht regnet, werde ich von der Hüfte abwärts sehr nass. Vor allem die Wanderschuhe halten die Nässe nicht lange aus und saugen sich voll. In einer besonders feuchten und moosigen Senke führt ein Steg über ein Nebengewässer. Nicht weit dahinter steht eine derzeit verlassene Rangerhütte.

Unterwegs gibt es eine Umleitung, die vom Johnston Creek steil bergauf und nach gut einem Kilometer wieder bergab zum Ufer führt. Nur selten bietet sich ein Blick auf die Berge, die den Johnston Creek umgeben.

Helena Ridge
Helena Ridge

Nach knapp drei Stunden erreiche ich die Abzweigung zum Luellen Lake. Zunächst bringt mich eine extrem schmale und ziemlich hohe Brücke auf die andere Seite des Johnston Creek, der hier durch eine Schlucht tost. Auf der anderen Seite führt ein schmaler Trail zum Johnston Creek Campground. Dort will ich eigentlich Mittagspause machen, doch als ich auch nach zehn Minuten noch keine Spur von einem Campground finde, kehre ich um.

 

Nur eine halbe Stunde weiter liegt der Luellen Lake. Nach einem kleinen Anstieg erreiche ich den malerischen See. Die Sonne scheint, aber der Wind fegt in heftigen Böen über das Wasser.


Ich bin heute die erste hier und suche mir einen windgeschützten Zeltplatz. Etwas verspätet und hungrig esse ich meinen Mittagssnack am Picknicktisch und baue dann schnell mein Zelt auf.

Ein schmaler Pfad schlängelt sich am Ufer entlang. Er führt ans andere Ende des Sees zu einem Wasserfall. Es wäre ein schöner Ausflug, doch der Weg erweist sich als zu nass. Lieber ziehe ich meine Wanderschuhe aus und lasse sie in der Sonne trocknen.


Inzwischen sind zwei weitere Wanderer eingetroffen. Leider zieht sich der Himmel zu. Vorsichtshalber koche ich schon mal etwas zu essen. Eine gute Entscheidung, denn plötzlich beginnt es zu donnern. Die Sonne scheint noch und im Zelt ist es brütend heiß. Über eine Stunde dauert das Donnergrollen, während sich am Himmel die Wolken zusammenballen. Am späten Nachmittag nimmt das Unwetter seinen Lauf. Zwei Frauen auf dem Zeltplatz neben mir schaffen es gerade noch rechtzeitig, ihr Zelt aufzubauen, als begleitet von Blitz und Donner der erste Starkregen niedergeht. Den Rest des Abends und die Nacht über gibt es weitere Schauer und auch das Gewitter kehrt noch einmal zurück.

Luellen Lake - Badger Junction Campground 23. August


Entfernung
7,5 km
Dauer
2 ½ Std
Min. Höhe
1919 m
Max. Höhe
2098 m
Anstieg
179 m

 

In der Nacht hat sich der Sturm gelegt und am Morgen ist es windstill. Nebelschwaden steigen vom See auf.



Der Himmel sieht gut aus, es könnte heute trocken bleiben.


Ich schlüpfe in meine nassen Strümpfe und Schuhe. Leider hat die Sonne gestern nicht lange genug geschienen, um sie zu trocknen.

Es geht zurück über die Brücke und dann weiter im Johnston Creek Canyon nach Nordwesten. Die Vegetation ist noch dichter als gestern und vom vergangenen Regen so nass, dass ich mir vorkomme wie in einer Autowaschanlage.


Mehrmals überquere ich den Creek auf den hier typischen schmalen und hohen Brücken. Einerseits bin ich froh, dass diese Brücken ein Geländer haben, andererseits stoße ich mit dem Rucksack dagegen und muss aufpassen, dass ich beim Aufprall nicht das Gleichgewicht verliere und ins Wasser falle. Bei einer der Brücken fehlt kurz hinter dem Aufgang ein Stück des Geländers, was die Überquerung noch heikler macht.

 

Der Wald öffnet sich zu einer lang gestreckten Almwiese (Meadow). Rechts tauchen die sägezahnförmigen Bergrücken der Sawback Range auf, die ihrem Namen alle Ehre macht.


Der Weg führt durch ein verlassenes Camp der Skyline Hikers of the Rocky Mountains, einer Wanderorganisation, die einwöchige Sommercamps in den Rocky Mountains durchführt, an denen ich auch schon teilgenommen habe. Das Camp hier im Johnston Creek Canyon wird, wie die anderen, etwa alle zehn Jahre besucht. Zu erkennen ist es an einem Tipi aus dünnen Baumstämmen. In dieser Form werden in den inaktiven Jahren die Stangen für die Prospektorenzelte aufbewahrt.

Skyline Hikers Camp
Skyline Hikers Camp

Der Himmel hat sich leider wieder verdunkelt. Der Boden ist kaum abgetrocknet, aber wenigstens regnet es nicht.


Auf der linken Talseite erhebt sich der südliche Ausläufer des Pulsatilla-Massivs.

Pulsatilla-Massiv
Pulsatilla-Massiv
Wasserfall im Pulsatilla-Massiv
Wasserfall im Pulsatilla-Massiv

Nach gut zwei Stunden erreiche ich bereits den Badger Junction Campground. Fast wäre ich an der Abzweigung vorbeigelaufen, denn sie ist nicht ausgeschildert und nur durch einen Cairn aus ein paar hellen Felsbrocken markiert. Ein Schild steht erst kurz vor dem ersten Zeltplatz und ist vom Hauptweg aus nicht zu sehen.

 

Der Platz mit der Nummer 3 gefällt mir am besten, weil er geschützt zwischen den Bäumen liegt. Auch auf diesem Campingplatz sind die Fächer in den bärensicheren Metallschränken nummeriert und explizit den Zeltplätzen zugeordnet, so dass man sie als eigenen kleinen Küchenschrank nutzen kann. Zur Wasserstelle geht man am Cairn geradeaus zu einem kleinen Rinnsal, das gerade so viel Wasser führt, dass man es mit einer Tasse aufschöpfen muss.

Kaum habe ich mein Zelt aufgebaut, beginnt es zu nieseln. Es ist erst später Mittag und viel zu früh, um sich ins Zelt zurückzuziehen. Zum Glück hört es bald wieder auf und ich mache mich auf den Weg zum Pulsatilla Pass. Dieser Pass ist eigentlich mein Ziel für morgen, aber es kann ja nicht schaden, sich schon einmal umzusehen. Am Cairn biege ich rechts ab und gehe den Johnston Creek entlang. Der Bach ist hier seicht und stark verzweigt. Der Weg teilt sich in mehrere Trampelpfade, die den vielen kleinen Bachläufen folgen. Schließlich stehe ich an einem großen Hauptlauf des Baches, wo es nicht mehr weitergeht. Zwar windet sich von hier aus ein Pfad steil in den Wald hinauf, aber er führt in die Richtung zurück, aus der ich gekommen bin. Der Himmel hat sich wieder zugezogen, meine Füße sind durchnässt, für heute gebe ich auf.

Der Campingplatz ist immer noch leer. Bevor es wieder zu regnen beginnt, mache ich mir etwas zu essen. Drei andere Wanderer treffen ein: zwei heißen Ken und der andere Olli. Alle drei sind Amerikaner, haben sich aber erst auf dieser Wanderung kennengelernt. Die Nacht zuvor verbrachten sie auf dem Wildflower Campground, der an der Verbindungsstrecke zwischen dem Skoki Valley und dem Pulsatilla Pass liegt. Ihre Route führte am Wildflower Creek entlang durch ein dicht bewaldetes Tal, das für seinen Morast und viele Bachüberquerungen berüchtigt ist. Entsprechend sehen die Wanderschuhe, Hosen und Gamaschen der drei auch aus. Ich frage sie nach dem richtigen Weg zum Pulsatilla Pass. Sie vermuten, dass ich eine Bachüberquerung übersehen habe, doch nach ihren unzähligen eigenen Bachdurchquerungen an diesem Tag können sie sich an keine Einzelheiten mehr erinnern.

Während die drei beim Essen sind, fängt es wieder an zu regnen und ich ziehe mich ins Zelt zurück. Olli schaut kurz bei mir vorbei, um eine dritte Meinung über die Wasserqualität einzuholen. Ob er die mitgebrachten Chlortabletten verwenden soll? Er kommt aus San Diego und in diesen südlichen Gefilden ist sauberes Quellwasser nicht immer selbstverständlich, aber hier reicht es, das Wasser einfach zu filtern.

Den Rest des Abends verbringen wir in unseren Zelten, denn es setzt Dauerregen ein.

Pulsatilla Pass24. August


Entfernung
13 km
Dauer
4 ½ Std
Min. Höhe
2077 m
Max. Höhe
2404 m
Anstieg
327 m

 

In den frühen Morgenstunden prasselt ein weiterer Regenschauer auf das Zelt nieder. Dann ist es für eine Weile ruhig und ich stehe auf. Das Wetter scheint sich aufzuhellen, sogar ein paar blaue Flecken zeigen sich am Himmel. Ich frühstücke mit den drei Amerikanern. Wir schauen uns die GPS-Daten auf Ollis Handy an und ich ahne, wo ich gestern vom richtigen Weg abgekommen bin.

Beim Weggehen legt einer der Kens noch eine weitere Lage Steine auf den Cairn, denn auch die drei hatten die Abzweigung zuerst übersehen. Ich mache mich ebenfalls auf den Weg, allerdings in die entgegensetzte Richtung. Zuvor habe ich noch einmal das Schild direkt neben dem Campground studiert, aber es stiftet nur noch mehr Verwirrung. Irgendjemand hat den vermeintlichen Weg zum Pulsatilla Pass darauf ausgekratzt. Anscheinend bin ich nicht die einzige, die sich hier verlaufen hat.

Ein willkommenes Schild
Ein willkommenes Schild

Als sich der Pfad und der Bach zu verzweigen beginnen, halte ich mich ganz links und stoße auf die Bachüberquerung, die mir Ollis GPS-Daten angezeigt haben. Kurze Zeit später erreiche ich ein Schild. Es gibt mir die Gewissheit, dass ich mich nun auf dem richtigen Weg befinde.

 

Der Wald endet und ich wandere über Wiesen bergauf. Zahlreiche marmorähnliche Felsblöcke säumen den Weg.

Unterwegs zum Pass
Unterwegs zum Pass

Ein riesiger Felsblock ist mitten auf den Pfad gefallen und man muss sich nun einen Weg um ihn herum suchen.

Riesiger Felsblock auf dem Weg
Riesiger Felsblock auf dem Weg

Das letzte Stück des Aufstiegs zum Pass ist steil, aber die Belohnung dafür ist ein fantastischer Ausblick auf den Pulsatilla Lake.

Auf dem Pulsatilla Pass 2345 m
Auf dem Pulsatilla Pass 2345 m

Das Wetter wird immer besser. Auf der anderen Seite des Passes ist es schon sonnig und die Farbe des Sees wird nach und nach immer blauer.

Ich wandere den Pass hinunter, dem besseren Wetter entgegen. Der Weg führt über einen steilen Hang oberhalb des Sees. Hier sollte man besser nicht ausrutschen, denn man würde tief ins kalte Wasser fallen.

Pulsatilla Lake
Pulsatilla Lake

Ein Blick zurück zum Pass bestätigt, dass der Himmel dort immer noch grau ist.

Blick zurück auf Pulsatilla Pass
Blick zurück auf Pulsatilla Pass

Ich wandere bis zum Ende des Plateaus, wo der Abstieg ins Wildflower Valley beginnt. Dort mache ich Mittagspause. Der Berg in der Ferne ist Fossil Mountain im Skoki Valley, wo ich im Sommer 2020 gewandert bin.

Ausblick ins Wildflower Valley
Ausblick ins Wildflower Valley

Auf dem Rückweg steige ich zum See hinunter und schaue, ob man ihn vielleicht umrunden kann.

Zum Pulsatilla Lake hinunter
Zum Pulsatilla Lake hinunter

Da die gegenüberliegende Seite des Sees sehr felsig und steil ist, laufe ich am diesseitigen Ufer entlang zurück in Richtung Pass.


Schon von weitem sehe ich zwei Männer auf dem Pass, die etwas Buntes im Wind flattern lassen. Als ich sie erreiche, stellt sich heraus, dass sie neben anderen Ausrüstungsgegenständen gerade ihre Zeltplanen trocknen. Bei den häufigen Regenfällen ist das Thema „Nässe“ allgegenwärtig. Die beiden tragen leichte Wanderschuhe, die schnell nass werden, aber auch schnell wieder trocknen und schwören darauf. Meine Wanderstiefel aus Leder schützen meine Knöchel zwar besser, aber sie sind auf dieser Reise seit dem ersten Tag nicht mehr trocken geworden. Wir nutzen die Gelegenheit und fotografieren uns gegenseitig auf dem Pass.


Während die beiden talwärts ziehen, mache ich auf dem Pass eine ausgedehnte Pause. Das Wetter ist jetzt richtig schön.


Irgendwann reiße ich mich von diesem wunderschönen Ort los und wandere zurück zum Johnston Creek Canyon, wo der Himmel immer noch bedeckt ist. Die Sawback Range ist auch vor dem grauen Hintergrund beeindruckend.

Sawback Range
Sawback Range

Der Johnston Creek zeigt sich hier, so nahe an seinem Ursprung, noch einmal von seiner schönsten Seite. Seine Pools und Kaskaden haben es mir angetan.



Unweit des Campingplatzes kommt mir Cheryl entgegen, die einen Tagesausflug auf den Pass macht. Sie stammt aus Calgary und ist wie ich alleine unterwegs. Sie macht eine Rundwanderung, so dass ich sie vielleicht am Ende bei Larry's Camp wiedersehe.

Den Abend verbringe ich in netter Gesellschaft mit einem Ehepaar und ihrem Sohn aus Kananaskis, ihren beiden weißen Schäferhunden und einem jungen Österreicher. Er ist wegen der in Edmonton stattfindenden Weltmeisterschaft im Dodgeball, einer Art Völkerball, wie er mir erklärt, nach Kanada gekommen und nutzt die Gelegenheit zum Wandern. Ein Zelt hat er nicht dabei, er übernachtet in einer Hängematte. Die Familie aus Kananaskis ist sehr versiert in der Herstellung von getrockneter Campingnahrung. Unglaublich, was sie auf den Tisch bringen, besser als in jedem Restaurant!

Die abendliche Kühle treibt uns irgendwann in die warmen Schlafsäcke im Zelt. In der Nacht wird es zum ersten Mal richtig kalt. Der übliche Regenschauer geht nieder, aber er ist nur von kurzer Dauer.

Badger Pass und Bonnet Glacier25. August


Entfernung
20,4 km
Dauer
5 ½ Std
Min. Höhe
2069 m
Max. Höhe
2911 m
Anstieg
842 m

 

Am frühen Morgen ist alles von dicken Tautropfen benetzt, stellenweise sieht es sogar nach Raureif aus. Auch Cheryl und der Österreicher sind früh auf, und zu dritt genießen wir ein stilles Frühstück bei Sonnenaufgang. Es sieht nach einem trockenen und schönen Tag aus, gerade rechtzeitig für meinen Ausflug zum Badger Pass.

Frühstück bei Sonnenaufgang
Frühstück bei Sonnenaufgang

Heute gönne ich mir frische, trockene Wandersocken. Die anderen hänge ich außen am Rucksack auf, denn sie an der Wäscheleine zu lassen, hat mir bei den vielen Regenschauern bisher kein Glück gebracht.

Die beiden anderen wollen heute auch zum Badger Pass, Cheryl sogar noch weiter auf die nächste Etappe ihrer Rundwanderung. Ich bin die erste auf dem Trail und gehe auf dem Hauptweg zurück bis zur beschilderten Abzweigung, obwohl es laut Wanderführer eine Abkürzung vom Campingplatz aus geben soll.

Pulsatilla Mountain
Pulsatilla Mountain

Nach der Abzweigung geht es zunächst die hohe Böschung des Badger Creek hinauf und dann zum Wasser hinunter. Ein Stück weiter ist mehr als ein halber Kilometer des Weges ausgewaschen, aber gut mit Cairns markiert.

Ein markanter namenloser Gipfel, ein Ausläufer des Hickson Massivs, beherrscht das Bild. Auf der anderen Seite blicke ich auf den Badger Peak Gebirgszug.


Badger Peak Gebirgszug
Badger Peak Gebirgszug

Der Pfad schlängelt sich durch subalpinen Wald: absolutes Bärenland. Immer wieder rufe und singe ich, um mich den Bären wenigstens anzukündigen. Das Wetter scheint zu halten. Es sind zwar Wolken am Himmel, aber sie ziehen vorbei und türmen sich nicht auf.

Unter einem Felsblock am Wegesrand versteckt sich ein Murmeltier. Der Badger Pass soll seinen Namen von den hier angeblich vorkommenden Dachsen (badgers) haben, was ich nicht so recht glauben kann, denn Dachse leben eigentlich nicht im Hochgebirge.

Nein, kein Badger!
Nein, kein Badger!

Der Aufstieg zum Pass ist gemächlich und führt durch eine sehr karge Berglandschaft. Die andere Seite des Passes ist wesentlich steiler als hier.

Badger Pass voraus
Badger Pass voraus

Der Ausblick vom Pass ist beeindruckend, eine vegetationslose Mondlandschaft. Der Pass ist mit 2570 Metern einer der höchsten im Wanderwegnetz der kanadischen Rocky Mountains.

Badger Pass 2570 m
Badger Pass 2570 m

Vor meiner Reise hatte ich mir vorgenommen, bei gutem Wetter vom Pass aus auf den nächsten Grat zu klettern, von dem aus man einen fantastischen Blick auf den Bonnet Gletscher hat. Mein Ziel liegt weit über mir in den Felsen, direkt oberhalb von einem Schneefleck. Darunter kann ich mit bloßem Auge so gerade noch den von Bergsteigern und Wanderern ins Geröll getretenen Pfad erkennen.

Weg zum Bonnet Glacier Ridge
Weg zum Bonnet Glacier Ridge

Der Weg hinauf ist weit und sieht sehr anstrengend aus. Doch es ist noch früh und das Wetter scheint heute stabil zu bleiben, gute Bedingungen für das kleine Abenteuer. Zur Sicherheit lege ich eine Uhrzeit fest, zu der ich spätestens umkehren werde.

Zuerst geht es vom Badger Pass steil über rutschiges Geröll hinunter, wobei ich der Schneewechte ausweiche. Für Rundwanderer mit vollgepacktem Rucksack sicher kein Zuckerschlecken. Dann klettere ich durch die Felsen der Drainage des Cascade River, der hier entspringt. Es ist nicht immer einfach, zwischen den Felsblöcken einen gangbaren Weg zu finden, und manchmal verliere ich mein Ziel aus den Augen. Verlaufen kann man sich aber nicht, denn es geht immer nur bergauf.

Keuchend erreiche ich den schmalen Pfad durch das Geröll. Er ist so schwach ausgeprägt, dass er auch aus der Nähe kaum deutlicher zu erkennen ist als vorher aus der Ferne. Er ist gut begehbar, aber so steil, dass ich alle paar Minuten verschnaufen muss. Als ich den Grat erreiche, bin ich erleichtert. Der plötzliche Blick auf das Gletscherfeld und die umliegenden Berge ist überwältigend.

Bonnet Glacier Ridge
Bonnet Glacier Ridge
Bonnet Glacier
Bonnet Glacier
Hickson Peak 3080 m
Hickson Peak 3080 m

Während des Aufstiegs habe ich mir keine Zeit zum Fotografieren genommen, aber von hier oben sieht man sowieso besser, auf welcher Route ich heraufgekommen bin.

Blick zurück auf Badger Pass
Blick zurück auf Badger Pass
Badger Pass Close-Up
Badger Pass Close-Up

Vom Grat aus könnte man noch höher steigen, aber ich will es nicht übertreiben und mein Glück mit dem Wetter nicht herausfordern. Fast 3000 Meter sollten reichen, ich weiß nicht, ob ich schon einmal so hoch geklettert bin.

Ich halte mich nicht lange auf dem Grat auf und trete den Rückweg zum Badger Pass an. Der Abstieg über den steilen Geröllpfad ist erstaunlich einfach, denn entgegen meiner Befürchtungen rutscht man nicht allzu sehr. Bei nassem Untergrund sähe das sicher anders aus. Im Vergleich zum Hinweg finde ich einen besseren Weg durch die Drainage und bin recht schnell wieder am Badger Pass. Von dort gehe ich langsam und gemächlich zurück in Richtung Johnston Creek Canyon, denn jetzt habe ich wieder sicheren Boden unter den Füßen und keine Eile mehr.

Zurück zum Johnston Creek Canyon
Zurück zum Johnston Creek Canyon

Ich treffe Cheryl, die einen sehr unglücklichen Start vom Campingplatz hatte. Sie ist aus Versehen dem unsinnigen Schild und den verwirrenden Wegen zum Pulsatilla Pass gefolgt. Dass sie im falschen Tal aufgestiegen ist, hat sie erst so spät bemerkt, dass sie am Ende mindestens zwei Stunden länger gewandert ist.

Wollgras
Wollgras

An einem kleinen Seitenbach mache ich wieder Rast und filtere frisches Wasser. Der Badger Creek erfreut mich mit Kaskaden und Wasserfällen.



Als ich auf dem Campingplatz ankomme, bin ich erschöpft, aber sehr zufrieden. Leider habe ich mir eine schmerzhafte Blase an der Ferse zugezogen, kein Wunder bei den ständig nassen Wanderschuhen. Die am Rucksack hängenden Socken sind zwar trocken, aber bretthart und stinken fürchterlich. Wenigstens sind meine Schuhe etwas weniger nass.

Drei neue Wanderer sind angekommen. Sie benutzen eifrig ihr Mückenspray, obwohl es kaum Mücken gibt. Abends bin ich besonders früh im Bett, zumal um 18 Uhr ein Gewitter mit erneutem Starkregen einsetzt.

Badger Junction Campground - Wanderparkplatz26. August


Entfernung
23,1 km
Dauer
7 ½ Std
Min. Höhe
1429 m
Max. Höhe
2098 m
Abstieg
669 m

 

Der Wettergott hat ein Einsehen und lässt mich am nächsten Morgen ohne Regen frühstücken und packen. Aber der Himmel ist grau und ringsum ist alles nass. Die Blasen an den Füßen versorge ich mit Pflaster und Tape. Dann wandere ich den Johnston Creek flussabwärts. Auf dem bereits bekannten Weg komme ich wieder an dem Tipi der Skyline Hikers vorbei.


Diese Brücke hat den steilsten Aufstieg von allen. Ich muss fast auf allen Vieren hinaufkrabbeln.



Nach gut zwei Stunden erreiche ich die Abzweigung zum Luellen Lake. Ich mache eine Pause und klebe meine Blase mit neuem Tape ab. Der Fuß sieht nicht gut aus. Während ich einen Happen esse, holen mich die drei Mitcamper vom Badger Junction Campground ein. Ich empfehle ihnen einen Ausflug zum Luellen Lake.

 

Es sind noch drei Stunden bis zu Larry's Camp. Inzwischen scheint wieder die Sonne, aber zwei Wanderer kommen mir entgegen und berichten, dass für morgen wieder schlechtes Wetter angesagt ist. Ich überlege, ob ich die geplante Tagestour zum Mystic Pass besser streiche.

In Larry's Camp angekommen, lese ich in meinem Wanderführer, dass der Weg zum Mystic Pass 530 Höhenmeter überwindet und sehr steil ist. Inzwischen schmerzt die Blase an meinem Fuß bei jedem Schritt, vor allem wenn es bergauf geht. Und dann noch die schlechte Wettervorhersage - nein, ich werde den Ausflug zum Mystic Pass auf ein anderes Mal verschieben und noch heute weiter zum Parkplatz hinaus wandern.

Vorher will ich aber noch das Zelt trocknen und hänge es an einem sonnigen Platz neben dem Toilettenhäuschen auf. Kaum flattert es auf der Leine, beginnt es zu donnern. Ein Gewitter zieht auf. Schnell packe ich ein und lege den Regenschutz um den Rucksack. Obwohl es wie aus Eimern schüttet, ziehe ich die Regenjacke gar nicht erst an. Ich kann mich ja später am Auto umziehen. Etwa zwanzig Minuten lang suche ich Schutz zwischen den Bäumen, bis der Regen etwas nachlässt.

Endlich breche ich auf. Es regnet weiter und natürlich werde ich nass bis auf die Haut. Hinter den Inkpots treffe ich auf ein Ehepaar aus Quebec, im Moment die einzigen Besucher hier und ebenfalls vom Gewitter überrascht. Auf unserem gemeinsamen Weg zum Parkplatz hört der Regen so plötzlich auf, wie er angefangen hat. Der gut ausgebaute Rest des Weges hat inzwischen stark gelitten: Bäume liegen quer und aus den großen Pfützen sind richtige Seen geworden.


Endlich am Auto angekommen, ziehe ich mir trockene Sachen an. Dann mache ich mir hinten im Auto etwas Warmes zu essen.

Auf der Rückfahrt gerate ich zwischen Golden und Revelstoke erneut in eine Art Sintflut. In der Großbaustelle bei Golden werden Schlamm und Steine auf die Straße gespült. Später erfahre ich, dass an meinem ursprünglich geplanten Rückreisetag hier ein schwerer Unfall den Highway für eineinhalb Tage gesperrt hat. Ich habe wieder einmal Glück und komme heil zu Hause an.

 

Mein Wander-Sommer war diesmal von Extremen geprägt. Zuerst die Hitze und die Insektenplage am Sunset Pass und Floe Lake, dann hier auf der zweiten Wanderung die überreichliche Nässe. Wenigstens fiel der Regen meistens nachts. Trotz allem hatte ich wieder eine schöne und erlebnisreiche Wanderung mit dem Ausflug zum Bonnet Glacier als Höhepunkt.