Brazeau Loop

August 2019


Anreise über Jasper nach Hilda Creek3. August

500 Kilometer in 5 ½ Stunden

Vor meiner zweiten Tour in die Rocky Mountains in diesem Sommer gönne ich mir sieben Tage Pause. Auf der Webseite des Nationalparks sind die Bedingungen auf der Brazeau Loop immer noch als nicht empfehlenswert eingestuft. Ein Anruf im Visitor Center ergibt, dass der Trail zwar inzwischen von niedergewehten Bäumen befreit, jedoch noch sehr nass ist. Das klingt auch nicht schlimmer als der Zustand des Banff Highline Trails, den ich gerade erfolgreich gemeistert habe, und ist kein Grund meine Pläne zu ändern.

Mein Ziel für die erste Nacht ist das Hilda Creek Wilderness Hostel an der südlichen Grenze des Jasper Nationalparks. Es liegt nur zehn Minuten vom Wanderparkplatz weg, wo morgen mein Treck auf der Brazeau Loop beginnt. Ich werde nicht die übliche Rundtour machen, sondern nur die westliche, hochalpine Hälfte des Trecks hin und zurück wandern und - wenn möglich - einen Ausflug zum Cataract Pass an der Grenze zur White Goat Wilderness anhängen. Damit verzichte ich zwar auf den Besuch des Brazeau Lake mit einem der angeblich schönsten Campingplätze im Hinterland, erspare mir aber eine 19 Kilometer lange Tagesetappe entlang des dicht bewaldeten Brazeau River. Alles in allem wird meine Wanderung statt der üblichen 81 Kilometer rund 90 Kilometer lang sein.

Die gut 500 Kilometer lange Fahrt über Jasper dauert mit Essens- und Tankstopps etwa fünfeinhalb Stunden. Das Wetter ist gut, so dass ich einige Fotos vom Columbia Icefield mache. Im Icefield Center ist es extrem voll und ich bin schnell wieder draußen.

Das Columbia Icefield ist eine der größten Ansammlungen von Eis südlich des Polarkreises. Es befindet sich auf der kontinentalen Wasserscheide und ist unter anderem der Ursprung des Athabasca River und des North Saskatchewan River. Das Eisfeld nährt acht große Gletscher, darunter den Athabasca-, den Castleguard-, den Columbia-, den Dome-, den Stutfield- und den Saskatchewan-Gletscher. Hier befinden sich einige der höchsten Berge der kanadischen Rocky Mountains, darunter Mount Columbia (3747 m), Mount Bryce (3507 m), Mount Kitchener (3505 m), Mount Athabasca (3491 m), Snow Dome (3456 m), Mount Andromeda (3450 m) und Mount Castleguard (3090 m).

Sieben Kilometer hinter dem Icefield Center befindet sich mein Ziel für die Nacht. Das Hilda Creek Hostel ist nur zu Fuß von einem Wanderparkplatz auf der gegenüberliegenden Seite des Highways zu erreichen. Für den kurzen Transfer habe ich mir einen eigenen Rucksack gepackt. Das kleine Hostel funktioniert ganz ohne Personal im Selbstbedienungsmodus. Ich habe zwei alternative Codes, mit denen das Türschloss der Haupthütte zu öffnen ist. Glücklicherweise funktioniert einer davon auch. Das Schloss zur Schlafhütte ist kaputt und lässt sich nicht mehr abschließen. Naja, besser als wenn man erst gar nicht hinein käme. Die ganze Anlage, so wunderschön sie auch liegt, ist reparatur- und renovierungsbedürftig, aber für eine Nacht ist das kein Problem. Es gibt drei Etagenbetten für sechs Personen, aber zuerst sieht es so aus, als hätte ich das Hostel für mich allein. Später treffen noch drei junge Leute ein. Bis dahin habe ich schon alles hergerichtet, das heißt die Fensterläden geöffnet, den Strom eingeschaltet, die Propangasflasche aufgedreht, mein Bett gemacht und zwei Eimer Wasser vom Fluss hochgeschleppt.

Das Hostel liegt oberhalb vom 2035 Meter hohen Sunwapta Pass, der die Nationalparks Jasper und Banff voneinander trennt. Dementsprechend schön ist die Aussicht auf die Berge ringsherum. Ich ziehe einen der Sesselstühle auf die Terrasse hinaus und genieße ein frühes Abendessen. Dann mache ich noch einen kleinen Abstecher auf dem schmalen Pfad, der direkt hinter dem Hostel zum Hilda Glacier hinauf steigt. Doch den Gletscher erreiche ich heute nicht mehr.

Mt. Athabasca 3491 m, Hilda Glacier und Hilda Peak 3060 m
Mt. Athabasca 3491 m, Hilda Glacier und Hilda Peak 3060 m

Meine drei Mitbewohner machen am Abend noch eine Wanderung zum nahe gelegenen Parker Ridge, um dort den Sonnenuntergang zu erleben. Diesen Ausflug habe ich mir für morgen früh, noch vor meiner ersten Tagesetappe auf der Brazeau Loop, vorgenommen.

Morgenausflug auf dem Parker Ridge Trail4. August


Entfernung
5,2 km
Dauer
1 ½ Std
Min. Höhe
2016 m
Max. Höhe
2265 m
Anstieg
249 m

 

Es hat Nachtfrost gegeben und ich habe Raureif auf der Windschutzscheibe. Der Parker Ridge Wanderparkplatz liegt nur wenige Autominuten vom Hostel entfernt. Dies gibt mir die einmalige Gelegenheit, diesen völlig überlaufenen Wanderweg am frühen Morgen ohne die üblichen Menschenmassen zu erleben. Ich bin schon weit vor sieben Uhr dort und die Erste heute. Der gut ausgebaute Weg geht zwei Kilometer lang in steilen Serpentinen bergan. Nach 40 Minuten erreiche ich den Sattel, von dem aus ich einen fantastischen Blick auf den Saskatchewan Glacier habe. Er ist der größte Auslassgletscher des Columbia Icefield und der Ursprung des North Saskatchewan River, aber wie alle Gletscher des Eisfelds ist er in den letzten Jahrzehnten stark abgeschmolzen.

Big Bend Peak, Saskatchewan Glacier und Mount Athabasca
Big Bend Peak, Saskatchewan Glacier und Mount Athabasca

Ich gehe noch etwa einen Kilometer über den Sattel hinaus, wo die Sicht auf den Gletscher noch besser wird.

 Saskatchewan Glacier und Castleguard Mountain 3090 m
Saskatchewan Glacier und Castleguard Mountain 3090 m
Saskatchewan Glacier und Big Bend Peak 2804 m
Saskatchewan Glacier und Big Bend Peak 2804 m

Auf dem Rückweg zeigen sich Mount Athabasca und Hilda Peak vor einem wolkenlosen blauen Himmel.

Mount Athabasca und Hilda Peak
Mount Athabasca und Hilda Peak

Inzwischen hat sich der Parkplatz gefüllt und die ersten Wanderer kommen mir entgegen. Am Ende hat mich der Ausflug etwa eineinhalb Stunden gekostet und war die zusätzliche Anstrengung auf jeden Fall wert.

Nigel Pass Trailhead - Nigel Pass - Fourpoint Campground4. August


Entfernung
13,9 km
Dauer
ca. 4 Std
Min. Höhe
1860 m
Max. Höhe
2220 m
Anstieg
360 m

 

Zunächst fahre ich versehentlich am Wanderparkplatz für die Brazeau Loop vorbei, weil das Hinweisschild mit einem großen Kreuz durchgestrichen ist. Ich muss die gesamte Big Bend, eine lange und enge Schleife des Highways, hinunter fahren, bevor ich eine Möglichkeit zum Wenden finde. Vermutlich soll das durchgestrichene Schild Linksabbieger abhalten. Auf dem Parkplatz stehen schon eine Menge Autos, aber zum Glück ist er noch nicht voll.


Zusammen mit einigen Tageswanderern breche ich auf. Zunächst finden wir den Anfang des Wanderwegs nicht. Er wurde vor einigen Jahren verlegt, um eine Brücke einzusparen. Seitdem geht es vom Parkplatz aus erst einmal 1,8 Kilometer auf der Schotterstraße weiter. Man kommt an einem alten Korral vorbei, und kurz darauf gabelt sich die Straße und es geht rechts hinunter zu einer Rangerhütte. Hier fängt endlich die Beschilderung an. Ich erreiche den Zusammenfluss von Hilda Creek und Nigel Creek und überquere beide Flüsse. Inzwischen sind die Tageswanderer weit vor mir und außer Sicht, denn mit leichtem Gepäck sind sie viel schneller als ich. Ich erreiche das historische Camp Parker. Schnitzereien in den Baumstämmen (ca. 1940) zeugen von frühen Wanderern und Reisenden, die diesen Ort als Zwischenstation auf dem damals zweitägigen Treck über den Icefield Parkway nutzten. Lange bevor die ersten Europäer kamen, schlugen hier bereits die First Nations ihr Lager auf.

Ich wandere durch das Tal des Nigel Creek. Immer wieder überquere ich Nebenflüsse auf einfachen Brücken, die aus einem abgeflachten Holzstamm bestehen. Manchmal liegen auch nur Steine im Bach. Das Tal soll ein idealer Lebensraum für Grizzlybären sein, doch zum Glück halten sie sich heute fern.

Blick zurück auf Parker Ridge
Blick zurück auf Parker Ridge

Wald und Wiesen wechseln sich ab, immer wieder öffnet sich der Blick auf den Nigel Creek. Nach einem Anstieg erreiche ich die Baumgrenze und schaue auf die Nigel Peaks.

Parker Ridge, Nigel South Peak 3025 m und Nigel Peak 3211 m
Parker Ridge, Nigel South Peak 3025 m und Nigel Peak 3211 m

Bisher war der Weg mit nur einigen kurzen Anstiegen recht gemächlich. Erst auf dem letzten Kilometer wird er sehr steil und ist teilweise ausgewaschen. Es geht 120 Meter hinauf zum felsigen und kargen Nigel Pass.

Auf dieser Seite des Passes hat das Gestein eine orange Farbe. Man blickt auf den Brazeau River und die gegenüberliegende glatte Kalksteinwand eines Ausläufers des Cirrus Mountain.

Brazeau River
Brazeau River
Ausläufer des Cirrus Mountain
Ausläufer des Cirrus Mountain

Im Südosten schaut man auf den Upper Brazeau Canyon in Richtung Cataract Pass, im Nordwesten thront Nigel Peak.

Auf einer Anhöhe auf dieser Seite des Passes entdecke ich zwei meiner Mitwanderer. Diese Kletterei erspare ich mir, denn auf der anderen Seite des Flusses führt mein weiterer Weg mindestens genauso hoch hinauf.

Direkt unterhalb des Passes überquere ich den Brazeau River über eine lange Reihe von im Wasser liegenden Steinen. Der Fluss ist hier recht breit, dafür relativ flach. Am Ufer liegt ein dicker Ast für die Wanderer, die keine Wanderstöcke dabei haben. Der Wasserstand ist zurzeit sehr hoch und die Steine sind wackelig und klein, so dass ich immer wieder durchs Wasser waten muss. Zum Glück sind meine Wanderschuhe wasserdicht und halten meine Füße trocken.

Nachdem ich gestern den Jasper Nationalpark auf der Fahrt über den Sunwapta Pass verlassen habe, bin ich nun wieder zurück, denn der Nigel Pass bildet die Grenze zwischen Banff und Jasper. Auf der anderen Seite des Flusses geht der Weg steil bergan zu einem Aussichtspunkt. Von hier aus kann ich weit in das Tal des nördlichen Brazeau River schauen.

Tal des nördlichen Brazeau River
Tal des nördlichen Brazeau River
Blick zurück auf Parker Ridge und Mount Saskatchewan 3350 m
Blick zurück auf Parker Ridge und Mount Saskatchewan 3350 m

Der Nigel Pass ist einer der schönsten Pässe, die ich bisher besucht habe. Seine kargen Felsformationen in Kombination mit dem mächtigen Brazeau River verleihen ihm eine besondere Atmosphäre. Ich setze mich mitten zwischen einige Felsen des Cirrus Mountain und halte Rast.

Zwischen den Felsen des Cirrus Mountain
Zwischen den Felsen des Cirrus Mountain

Der weitere Weg ist sehr steinig und führt nach etwa einem Kilometer zum nächsten Aussichtspunkt. Der Brazeau River bildet hier eine gewaltige Kaskade, die durch einen engen Canyon stürzt. Zwei Wanderer sitzen auf den Felsen neben dem tosenden Wasser.

Wasserfall im Brazeau River
Wasserfall im Brazeau River

Nun geht es steil bergab ins Tal des nördlichen Brazeau. Ich überquere eine Brücke und dahinter führt der Weg am Westufer durch eine Landschaft mit vielen Wiesen und Weidenbüschen. Ich erreiche den Boulder Creek Campground, doch mein Ziel für heute ist der noch gut drei Kilometer entfernte Fourpoint Campground. Der Weg führt am bewaldeten Flussufer entlang.

Der Fourpoint Campground liegt nahe am Fluss und bietet Platz für acht Zelte. Man hat zwar keine Sicht auf den Brazeau River, kann ihn aber hören. Die Wege auf dem Campingplatz sind angenehm kurz, da alle Einrichtungen nahe beieinander liegen. Für die bärensichere Aufbewahrung der Essensbeutel gibt es seit kurzem Metallboxen statt des althergebrachten Hängegerüsts. Wie üblich suche ich mir einen etwas abseits gelegenen Zeltplatz und bereite mir ein frühes Abendessen zu. Dieser Campingplatz scheint immer recht voll zu sein, denn alle Wanderer der Brazeau Loop kommen hier auf ihrer Runde zweimal durch, egal ob sie mit oder gegen den Uhrzeigersinn laufen. Rückkehrer vom Brazeau Lake berichten, dass der Weg am Fluss entlang immer noch sehr viele morastige Stellen aufweist, während die Rückkehrer von der alpinen Seite gute Bedingungen mit nur wenigen Schneeresten auf der Jonas Shoulder, dem höchsten Punkt der Strecke, vorgefunden haben. In der Woche davor müssen überall noch extrem schlechte Verhältnisse geherrscht haben, weil es so viel geregnet hatte.

Der Abschnitt zwischen Nigel Pass und Jonas Cutoff ist Teil des Great Divide Trail (GDT), ein über 1200 Kilometer langer Wanderweg, der sich vom Waterton National Park im Süden bis zum Mt. Robson Provincial Park im Norden erstreckt. Das offizielle, aber schwer zugängliche Ende des GDT liegt noch weiter nördlich, im Kakwa Provinzpark. Der Weg geht an der kontinentalen Wasserscheide entlang und damit über die höchsten Pässe der Rocky Mountains. Ein Pärchen aus Ontario erzählt, dass sie über den Cataract Pass gekommen sind und auf Fourpoint Zwischenstation machen. Morgen wollen sie über die Jonas Shoulder und das Poboktan Tal zum Highway hinaus, um sich für die nächste Etappe der über dreimonatigen Wanderung auszurüsten. Wir stellen fest, dass sich unsere Wege schon einmal am Egypt Lake gekreuzt haben, auf meiner ersten Wanderung in diesem Sommer. Nachdem die beiden nachmittags am Egypt Lake vorbeigekommen waren, wurden sie spät abends auf dem Weg zum Floe Lake von demselben Jahrhundertgewitter überrascht, das mich auf dem Egypt Lake Campingplatz erwischte. Unterwegs in großer Höhe und in völliger Dunkelheit stelle ich mir das Gewitter extrem beängstigend vor. Ich hatte wenigstens ein Zelt über dem Kopf, auch wenn der Sturm es wegzufegen drohte.

Es ist ein erhebendes Gefühl, dass ich nach meiner Brazeau-Wanderung ein weiteres Teilstück des GDT geschafft haben werde. Da morgen eine Strecke von 19 Kilometern mit zwei Pässen auf mich wartet, verschwinde ich früh im Zelt, um mich von den heutigen Abenteuern auszuruhen.

Fourpoint Campground - Jonas Pass - Jonas Shoulder - Jonas Cutoff Campground5. August


Entfernung
19,1 km
Dauer
ca. 6 Std
Min. Höhe
1927 m
Max. Höhe
2470 m
Anstieg
543 m

 

Kurz vor 9 Uhr breche ich vom Fourpoint Campground auf. Die heutige Teilstrecke von 19 Kilometern ist die spektakulärste der gesamten Wanderung und das Wetter ist vielversprechend. Der Pfad führt durch den Wald bergauf. Hier und da liegen vom Sturm umgewehte Bäume im Weg, die man jedoch leicht überklettern oder umlaufen kann. Bald erreiche ich die subalpine Zone.


Immer wieder muss ich reißende Nebenbäche überqueren, die von den Hängen in den Fourpoint Creek stürzen und zurzeit besonders viel Wasser führen. Die Bäche fallen so steil ab, dass es keine Brücken gibt. Meistens muss ich den Pfad verlassen und ein Stück am Bachufer entlang klettern, um eine geeignete Stelle zum Überqueren zu finden. Besonders heikel finde ich eine Stelle, an der ich durchs Unterholz kriechen und dann durchs Wasser waten muss, um sicher ans andere Ufer zu gelangen. Aber lieber nasse Füße als ein Sturz auf spitzes Gestein.


Ich erreiche die Baumgrenze und habe einen schönen Blick über das Tal des Fourpoint Creek. In dieser Landschaft vermute ich Grizzlybären und halte immer wieder an, um die Hänge nach ihnen abzusuchen.

Das alpine Tal des Fourpoint Creek
Das alpine Tal des Fourpoint Creek

Das Geweih eines Mountain Caribou reizt mich zum Fotografieren. Es zeugt davon, dass die Tiere in dieser rauen Gegend leben, doch sie sind so scheu, dass man sie so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Gleich dahinter scheuche ich eine Grouse-Familie auf.

Am Jonas Pass lege ich eine kurze Rast ein.

Jonas Pass 2320 m
Jonas Pass 2320 m

Hinter dem Pass geht es gemächlich hinunter und eine Reihe von Kar-Seen (Tarns) säumen den Weg. Entlang des Jonas Creek wird die Aussicht immer dramatischer. Zum Glück verliert man nicht allzu viel Höhe, bevor der Weg auf die Jonas Shoulder hinauf führt.

Vom Jonas Pass nach Norden
Vom Jonas Pass nach Norden
Waterfall Peaks
Waterfall Peaks
Tarns hinter Jonas Pass
Tarns hinter Jonas Pass
Tal des Jonas Creek und Ausläufer des Sunwapta Massivs
Tal des Jonas Creek und Ausläufer des Sunwapta Massivs

Immer wieder kommen mir Wanderer von der Jonas Shoulder entgegen, denn die Brazeau Loop wird überwiegend gegen den Uhrzeigersinn gelaufen. Eine Gruppe von ihnen hat auf einem Felsen am Jonas Creek ein Wasserfilter-Kit gefunden. Da sie sich sicher sind, dass es von jemandem vergessen wurde, der in Richtung Jonas Shoulder unterwegs war, ließen sie es liegen, damit ein Wanderer aus der gleichen Richtung es den Besitzern hinterherbringen kann. Ich glaube, das Kit gehört dem Paar aus Ontario, das ich gestern auf dem Fourpoint Campingplatz kennengelernt habe. Die beiden sind heute Morgen schon vor mir aufgebrochen und wir drei sind heute die einzigen, die die Loop im Uhrzeigersinn wandern. Ein Stück weiter stoße ich auf die Filterpumpe und nehme sie mit. Vielleicht kehren die beiden zurück oder warten am nächsten Campground, weil sie die Pumpe vermissen.

Blick zurück von der Jonas Shoulder in Richtung Jonas Pass
Blick zurück von der Jonas Shoulder in Richtung Jonas Pass

Die Jonas Shoulder ist ein langer, im unteren Teil mit Gras bewachsener Bergrücken, der bis auf 2450 Meter ansteigt und den höchsten Punkt der Brazeau Loop bildet. Dort muss ich hinauf und hinüber.


Durch eine kleine Lücke im Berggrat gelangt man vom Tal des Jonas Creek hinüber in das Tal des Poboktan Creek.

Blick von der Jonas Shoulder auf das Sunwapta Massiv 3315 m
Blick von der Jonas Shoulder auf das Sunwapta Massiv 3315 m
Blick auf die Poboktan Seite
Blick auf die Poboktan Seite
Abstieg ins Tal des Poboktan Creek, Poboktan Mountain 3332 m
Abstieg ins Tal des Poboktan Creek, Poboktan Mountain 3332 m

Der Abstieg von der Jonas Shoulder ist steil. Es geht 355 Höhenmeter bergab und der Pfad ist sehr nass, stellenweise sogar noch mit Schnee bedeckt. Kleine Steinpyramiden markieren die Route.

Jonas Cutoff Campground
Jonas Cutoff Campground

Nach der langen Wanderung bin ich froh, als ich das liebevoll geschnitzte Schild des Jonas Cutoff Campground erblicke. Der Campingplatz liegt ein wenig abseits des Weges in einem Canyon direkt am Poboktan Creek. Die Zeltplätze befinden sich ein Stück von den Picknicktischen und den Metallboxen fürs Essen entfernt. Direkt vom Essplatz geht es hinunter zur Wasserstelle am Fluss. Einige Camper sonnen sich am Tisch. Sie sind vom Brazeau Lake gekommen, wo sie das schöne Wetter für einen Badetag genutzt haben. Leider hat niemand die beiden GDT-Wanderer gesehen, deren Wasserfilter-Kit ich mitgenommen habe. Anscheinend sind sie ohne lange Rast zur nächsten Etappe des GDT aufgebrochen.

Einige andere GDT-Wanderer hingegen übernachten heute auf dem Jonas Cutoff Campground: ein deutsches Pärchen aus Bayern und ein junger Mann aus Tschechien. Der Tscheche ist mit superleichtem Gepäck unterwegs. Nicht einmal ein Zelt hat er dabei, sondern benutzt ein Biwak, eine Art Plastiksack, in den er sich für die Nacht einrollt. Er hat auch keinen Kocher, sondern ernährt sich nur von kalter Küche, meist von Nutella- oder Erdnussbutterbroten. Die Nutella löffelt er am liebsten direkt aus dem extragroßen Plastikglas. Ich glaube, er ist noch keine zwanzig, da ist man zäh. Ich vertraue ihm den Wasserfilter an, denn er wird morgen dem Paar aus Ontario folgen. Vielleicht holt er sie ja irgendwo ein, und wenn nicht, kann er das Filter-Kit sicher besser gebrauchen als ich. Die Wasserfiltergeschichte wird sich auf dem GDT herumsprechen, denn die GDT-Wanderer kennen sich nach kurzer Zeit untereinander.

Ich werde zwei Nächte auf dem Jonas Cutoff Campground verbringen und morgen eine Tageswanderung unternehmen.

Ausflug zum Poboktan Pass6. August


Entfernung
11 km
Dauer
ca.4 Std
Min. Höhe
2135 m
Max. Höhe
2300 m
Anstieg
165 m

 

Am Morgen ist es stark bewölkt und sieht sogar nach Regen aus. Ich verlasse den Canyon des Poboktan Creek an seinem nordwestlichen Ende und komme in ein Feuchtgebiet. Über mehrere Brücken geht es zurück auf den Hauptweg zum Poboktan Pass. Der Himmel im Nordwesten verheißt nichts Gutes, schwarze Wolken ziehen von dort heran und es beginnt zu regnen. Ich werfe meinen Regenponcho über und warte den Regen im Schutz einer Baumgruppe ab.

Blick nach NW ins Tal des Poboktan Creek
Blick nach NW ins Tal des Poboktan Creek

Nach etwa einer halben Stunde ist das schlimmste Wetter durchgezogen und ich mache mich an den Aufstieg zum Pass. Ich treffe auf ein Ehepaar aus Kentucky, mit dem sich ein interessantes Gespräch entspinnt.

Poboktan Pass 2300 m
Poboktan Pass 2300 m

Ich überquere den Pass und genieße fantastische Ausblicke auf das John-John Creek Tal, auf Marble Mountain und Flat Ridge (2793 m).

Ausläufer von Poboktan Mountain und Marble NW 4
Ausläufer von Poboktan Mountain und Marble NW 4
Marble Mountain 2962 m
Marble Mountain 2962 m
Marble NW4 2917 m
Marble NW4 2917 m

Bevor der Weg steil ins Tal abfällt, mache ich Mittagspause. Ich setze mich auf einen Felsen und genieße die Aussicht ins Tal und auf die umliegenden Berge. Der Weg hinunter bildet die andere Hälfte der Brazeau Loop und führt über den John-John Creek Campground zum Brazeau Lake, um dann am Brazeau River entlang die Runde zum Fourpoint Campground zu schließen.

Leider zieht sich der Himmel wieder zu. Ich mache mich auf den Rückweg, denn ich will nicht nass werden. Kurz vor dem Poboktan Pass zieht sogar ein Gewitter auf. Im Norden ist der Himmel tiefschwarz und es beginnt zu donnern. Auf einem Pass sollte man besser nicht von einem Unwetter erwischt werden, also verfalle ich in einen leichten Trab. So schnell es der Pfad zulässt, laufe ich zurück zum Campingplatz. Mit den ersten Regentropfen erreiche ich mein Zelt und stürze mich quasi mit einem Hechtsprung hinein. Gerade noch einmal trocken davon gekommen!

Es ist erst zwei Uhr und bei Regen im Zelt gestaltet sich der Rest des Nachmittags etwas langweilig. Das Handy mit dem gespeicherten Buch und den MP3-Player habe ich also doch nicht umsonst mitgenommen. Immer wieder höre ich, wie andere Wanderer eintreffen und ihre Zelte aufbauen. Erst bei einem für meine Verhältnisse sehr späten Abendessen gegen 19 Uhr, als es endlich aufgehört hat zu regnen, lerne ich den einen oder anderen von ihnen kennen. Der kurze Weg vom Zeltplatz zu den Picknicktischen ist nach dem Regen sehr morastig und rutschig geworden.

Trotz des mäßigen Wetters habe ich einen weiteren angenehmen Tag auf der Brazeau-Loop verbracht und fühle mich gut ausgeruht für den langen Rückweg.

Jonas Cutoff Campground - Jonas Shoulder - Jonas Pass - Fourpoint Campground7. August


Entfernung
19,1 km
Dauer
ca. 6 Std
Min. Höhe
1927 m
Max. Höhe
2470 m
Abstieg
543 m

 

Der Regen hat sich über Nacht verzogen und ich erwache zu einem wolkenlosen Tag. Heute geht es den gleichen Weg zurück, auf dem ich gekommen bin. Auf dem Hinweg war das Bergpanorama beeindruckend und ich freue mich darauf, es bei weiterhin schönem Wetter nun aus der umgekehrten Richtung zu sehen.

Bei strahlend blauem Himmel zeigt sich das Tal des Poboktan Creek von seiner besten Seite.

Tal des Poboktan Creek
Tal des Poboktan Creek

Der Aufstieg auf die Jonas Shoulder ist von hier aus wesentlich steiler.

Die Aussicht vom höchsten Punkt auf der Jonas Shoulder ist heute noch grandioser als auf dem Hinweg. Es gibt so gut wie keine Wolke am Himmel.

Jonas Shoulder, Blick auf das Sunwapta Massiv
Jonas Shoulder, Blick auf das Sunwapta Massiv
Jonas Shoulder, Blick zurück nach NW
Jonas Shoulder, Blick zurück nach NW
Jonas Shoulder, Blick voraus nach SO
Jonas Shoulder, Blick voraus nach SO

Ich klettere von der Jonas Shoulder hinunter und wandere zurück zum Jonas Pass.

Unterwegs zum Jonas Pass
Unterwegs zum Jonas Pass

Heute kommen mir einige Wanderer entgegen, die den Rundweg im Uhrzeigersinn gehen. Auf dem Pass mache ich eine lange Pause und trockne mein Zelt. Heute scheinen sich hier alle zur Mittagspause einzufinden. Ein Vater-Sohn-Gespann ist besonders freundlich, begrüßt jeden mit Handschlag und stellt sich vor. Eine Gruppe älterer Wanderer vom Calgary Outdoor Club erinnert mich an die Freunde aus meinem Wanderclub in Kamloops.

Hinter Jonas Pass
Hinter Jonas Pass
Meadows am Fourpoint Creek
Meadows am Fourpoint Creek
Fourpoint Creek
Fourpoint Creek

Auf dem Rückweg fällt es mir leichter, die vielen Nebenflüsse des Fourpoint Creek zu überqueren. Ich muss wohl an Erfahrung gewonnen haben. Selbst der besonders heikle Bach am Ende des Tales ist diesmal im Nu überwunden.

Auf den Graswiesen entlang des Baches blühen mehr und mehr Wildblumen. Nach der langen Nässeperiode im Juli scheint der Sommer endlich auch in den Bergen Einzug gehalten zu haben.

Ich erreiche den Fourpoint Campground bereits am frühen Nachmittag. Es ist noch genug Zeit für einen Tee mit einem süßen Snack, bevor ich Abendessen mache. Zwei Frauen, Mutter und Tochter, leisten mir Gesellschaft. Morgen werde ich sehr früh aufstehen, denn ich habe vor, mein Zelt abzubauen und es drei Kilometer weiter auf dem Boulder Creek Campground wieder aufzubauen, um von dort aus eine Tageswanderung zum Cataract Pass zu machen.

Fourpoint - Boulder Creek - Cataract Pass Trail - Boulder Creek8. August


Entfernung
21 km
Dauer
Ca. 6 Std
Min. Höhe
1927 m
Max. Höhe
2330 m
Anstieg
403 m

 

Der nächste Morgen ist wieder wunderschön. Beste Voraussetzungen, um den Ausflug zum Cataract Pass zu wagen. Er wird mich in ein Tal führen, das keinen offiziellen Wanderweg hat, aber Teil des GDT ist. Die aus der Wild Goat Wilderness kommenden Langstreckenwanderer übernachten meist vor der Parkgrenze am Cataract Creek und steigen dann über den Cataract Pass ins Tal des Upper Brazeau hinunter, um ihren Weg in Richtung Nigel Pass fortzusetzen.

Für mich geht es erst einmal am Brazeau River entlang zum Boulder Creek Campground. Hier hat letzte Nacht nur eine einzige Camperin übernachtet. Sie hängt ihre nasse Zeltplane über die Büsche und frühstückt, während ich so schnell wie möglich mein Zelt aufbaue. Es soll trocknen, während ich unterwegs bin. Ich steige die geröllbedeckten Serpentinen hinauf zum Nigel Pass. Der Ausblick fasziniert auch zum zweiten Mal.


Es ist schon Mittag, als ich die Abzweigung zum Cataract Pass erreiche. Zunächst führt der Weg oberhalb des Brazeau Canyon entlang. Stromaufwärts wird der Fluss zunehmend stiller und seine Farbe ändert sich in ein milchiges Türkis

Upper Brazeau River
Upper Brazeau River

Der gut ausgetretene Pfad durch alpines Heidekraut, Gras und niedrig wachsende Potentilla endet und ich muss durch eine Ansammlung von großen Felsblöcken klettern. Kleine Steinpyramiden (Cairns) helfen bei der Navigation.

Blick zurück auf den Nigel Pass
Blick zurück auf den Nigel Pass

Eine zweite Felsformation ist nicht so leicht zu durchqueren. Wäre der Wasserstand niedriger, könnte ich sie einfach umgehen, doch bei dem derzeitigen Hochwasser sind große Teile des Weges überschwemmt. Ich muss mir eine Route durch die Felsen suchen, und das Klettern und die ständige Ausschau nach dem jeweils nächsten Cairn verzögern mein Vorankommen sehr.

Felsformationen am Cirrus Mountain
Felsformationen am Cirrus Mountain
Tal des Upper Brazeau
Tal des Upper Brazeau

Danach verläuft die Route direkt am linken Ufer des Flusses entlang. An einer Kaskade folge ich dem linken Canyon. Verlaufen kann ich mich eigentlich nicht, höchstens festlaufen. Ich begegne einem Paar, das vom Cataract Pass herabgestiegen ist. Sie schätzen, dass ich noch eine Stunde bis zur Passhöhe brauche. Sie wandern über den Nigel Pass zum Highway hinaus, und ich bin nun ganz allein in diesem wilden und überwältigend schönen Tal. Es ist ein erhebendes und zugleich beängstigendes Gefühl.

Ich nähere mich dem Bergmassiv, das ich schon während des gesamten Weges im Blickfeld habe. Es überragt den Cataract Lake, in dessen von Gletschern gespeisten Wassern der Brazeau River entspringt.


Bergmassiv über den Quellwassern des Brazeau River
Bergmassiv über den Quellwassern des Brazeau River

Ich klettere auf eine Endmoräne, von der aus ich eine perfekte Aussicht auf das Bergmassiv und die Quellgewässer habe.


Ich bin wie gebannt von der Weite und der Schönheit hier.

Cataract Pass (links)
Cataract Pass (links)

Der Cataract Pass, mein eigentliches Ziel für heute, ist nicht mehr weit entfernt. Laut Wanderführer braucht man für den Aufstieg nur eine halbe Stunde. Von meinem Aussichtspunkt aus entdecke ich sogar wieder die durch Fußspuren im Schnee markierte Route, die zum Fuße des Passes führt und die ich schon mehrmals verloren hatte. Doch angesichts der fortgeschrittenen Zeit verzichte ich auf den Aufstieg zum Pass und genieße stattdessen die wilde Schönheit meiner unmittelbaren Umgebung.

Blick zurück in Richtung Nigel Pass
Blick zurück in Richtung Nigel Pass

Ich verbringe fast eine Stunde in dieser überirdisch anmutenden Landschaft, bevor ich mich losreiße und auf den Rückweg mache.

Kurz vor dem Nigel Pass begegne ich einer Reitergruppe. Sie hatten versucht, den Cataract Pass Trail zu reiten, doch der Weg erwies sich schnell als zu schwierig für die Pferde. Die Gruppe reitet auf die andere Seite des Passes und rastet dort auf einer Anhöhe. Ich wandere zurück zum Boulder Creek Campground. Alle vier Plätze sind für diese Nacht belegt, so dass ich beim Abendessen Gesellschaft habe. Wieder entwickelt sich ein interessantes Gespräch. Ich bin hochzufrieden mit diesem Tag. Für die Ersteigung des Cataract Pass werde ich sicher noch einmal hierher zurückkehren.

Boulder Creek Campground - Nigel Pass - Trailhead9. August


Entfernung
11 km
Dauer
Ca. 3 Std
Min. Höhe
1860 m
Max. Höhe
2195 m
Abstieg
335 m

 

An diesem Morgen breche ich früh auf, denn ich möchte vom Trailhead aus noch nach Hause fahren. Die Nacht war kalt und Morgennebel liegt über dem Fluss. Tautropfen benetzen die Ufervegetation und spritzen meine Beine nass, als ich sie im Vorbeigehen streife.

Nigel Peak und Brücke hinter dem Boulder Creek
Nigel Peak und Brücke hinter dem Boulder Creek

Zum dritten Mal überquere ich den Nigel Pass. Heute Morgen fasziniert er mich mit Nebelschwaden.

Nigel Pass im Morgennebel
Nigel Pass im Morgennebel

Bei der Überquerung des Brazeau River gerate ich in tiefes Wasser und meine Wanderschuhe werden diesmal richtig nass. Zum Glück bleiben die Füße weitestgehend trocken.

Der Nebel löst sich schnell auf und ich genieße eine sonnige Wanderung hinab ins Tal.

Auf der Schotterstraße zurück zum Wanderparkplatz kommt mir ein einzelner Backpacker entgegen. Wir schauen uns ungläubig an und begrüßen uns mit großem Hallo. Es ist Antoine, der GDT-Wanderer aus Quebec, den ich auf meiner ersten Tour in diesem Sommer, am Egypt Lake, kennengelernt habe. Während ich mich zu Hause von meiner Tour erholte, wanderte er weiter auf dem GDT und ist nun hier angekommen. Er hat den Trail vom Nigel Pass aus kurz verlassen, um neue Vorräte einzukaufen, und wird nun auf dem GDT nach Nordwesten weiterziehen. Was für ein Zufall, ihn hier wieder zu treffen.

Ich gehe den letzten Kilometer zum Auto und lade erleichtert meinen Rucksack ab. Obwohl alle Essensvorräte aufgebraucht sind, fühlt er sich nicht leichter an als zu Beginn der Wanderung. Ich schlüpfe in neue Socken und bequeme Turnschuhe und erfrische mich ein wenig. Dann mache ich mich auf die lange Heimfahrt. Ein weiteres tolles Abenteuer liegt hinter mir.